Interview mit BBH-Partnerin Bianca Engel: Was macht die Wirtschaftsprüfung so spannend für Sie?
Wem das Arbeiten an immer wieder unterschiedlichen Sachverhalten und mit neuen Teams, teilweise interdisziplinär, Spaß macht, für den ist die Wirtschaftsprüfung genau das Richtige – so die Empfehlung von Bianca Engel, Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin bei BBH.
In diesem Interview gewährt sie uns einen Blick hinter die Kulissen der Wirtschaftsprüfung, berichtet aus ihrem Alltag und von den Herausforderungen, die ihr(e) Beruf(ung) – insbesondere für Frauen – mit sich bringt.
Beginnen wir erst mal ganz allgemein: Welche Bedeutung hat die Wirtschaftsprüfung für das Funktionieren der globalen Weltwirtschaft?
Ich wage mal zu behaupten, ohne Wirtschaftsprüfung funktioniert die globale Wirtschaft gar nicht, zumindest nicht auf Dauer. Denn wir sehen unsere Aufgabe im Wesentlichen darin, Vertrauen, Transparenz und auch Sicherheit zu schaffen. Wir führen ein Siegel, mit dem wir Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer sogenannte Vorbehaltsaufgaben erledigen. Das betrifft die Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen nach nationalen und internationalen Rechnungslegungsformen. Am Ende der Prüfung steht bestenfalls ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk über das Ergebnis der Prüfungen. § 2 WPO erlaubt uns darüber hinaus aber auch betriebswirtschaftliche Prüfung und Beratung, Sonderprüfungen, Unternehmensbewertungen und Beratungen in steuerlichen Angelegenheiten oder Sachverständigentätigkeiten. All dies trägt maßgeblich dazu bei, dass Kapitalmarkt, Gesellschafter, Gläubiger oder die Öffentlichkeit Vertrauen entwickeln und die lokale, aber auch die Weltwirtschaft funktionieren kann.
Was hat Sie dazu inspiriert, eine Karriere in der Wirtschaftsprüfung zu verfolgen? Welche Aspekte der Branche haben sie von Anfang an fasziniert?
Ganz überwiegend die Vielseitigkeit der Aufgaben. Ich habe schon einige Tätigkeiten genannt. Dies gepaart mit wechselnden Mandant*innen und damit unterschiedlichen Charakteren, Fragestellungen und Lösungsangeboten – all das machte den Beruf Wirtschaftsprüferin für mich zu einem der abwechslungsreichsten, den ich mir vorstellen konnte. Schon zu Abiturzeiten nutzte ich jede Möglichkeit, Praktika zu machen und mein BWL-Studium auf Wirtschaftsprüfung auszurichten. Es war klar, dass der Weg zur Wirtschaftsprüferin kein leichter ist, denn Grundlage der Berufsausübung ist neben hohen fachlichen und ethischen Anforderungen das Ablegen des Berufsexamens zusammen mit einem Berufseid.
Es heißt häufig, dass Wirtschaftsprüfer*innen nur im dunklen Kämmerchen schuften, reine Zahlenmenschen sind und wenig Abwechslung im Berufsalltag haben. Sieht Ihr Alltag tatsächlich so aus?
Ganz und gar nicht! Wir sind sehr viel unterwegs. Es ist kein Beruf, den man klassischerweise an einem Schreibtisch ausübt, sondern man sitzt an ganz vielen Schreibtischen bei unterschiedlichsten Mandant*innen, in zahlreichen Besprechungen bei Sachbearbeiter*innen, Abteilungsleitungen bis hin zu Geschäftsführung und Aufsichtsrat, geht durch die Produktions- oder Lagerhallen, analysiert bspw. Erzeugungsprozesse, Endprodukte, begleitet Inventuren oder unterstützt die Geschäftsführung in zahlreichen Bilanzierungs-, Bewertungs- oder sonstigen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen. In dunklen Kämmerchen habe ich bisher nicht gesessen.
Alltag klingt nach etwas täglich Gleichem, das gab es bei mir ehrlicherweise in den 23 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit nicht. Was unsere Arbeit vor allen Dingen auch ausmacht, ist das Zusammenarbeiten im Team. Wir sind meist bis zu vier oder fünf Kolleg*innen (auf Großprojekten auch mehr). Das macht den Alltag aus: mit dem Mandant*innen vor Ort sein, wechselnde Herausforderungen, Teamwork.
Welche Herausforderungen und Glücksmomente erleben Sie in Ihrem Beruf?
Herausfordernd sind die immer neu auftretenden Fragestellungen. Mit jeder neuen Entwicklung, jedem neuen Prozess oder Geschäftsfeld sind neue Planungs-, Finanzierungs-, Risiko- oder Bilanzierungsfragen verbunden. Herausfordernd sind auch die Ansprüche der Mandant*innen, möglichst schnell und umfassend beraten zu werden. Das bedeutet, umfassend zu analysieren und teilweise vorauszudenken. Dabei ist es besonders schön, wenn wieder eine passende Lösung gefunden wurde. Wenn der Mandant „glücklich“ ist, sind wir es auch.
Wir bewegen uns dabei selbstverständlich immer im Rahmen der gesellschafts- oder handelsrechtlichen Vorschriften und auch in den Regelungsvorgaben unserer Berufsordnung. Belohnung im Kleinen ist es aber auch jedes Mal, wenn der Wirtschaftsprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk unterzeichnen konnte – und damit dem geprüften Abschluss, egal ob die Bilanzsumme 100.000 Euro oder 1 Milliarde Euro umfasst, attestieren kann, dass dieser ein zutreffendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Mandanten zeigt.
Wie hat sich die Wirtschaftsprüfung im Laufe der Zeit entwickelt und wie hat sich dies auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Die Tätigkeit ist auf jeden Fall digitaler geworden. Damit einher gehen auch neue Anforderungen an den Beruf Wirtschaftsprüfer*in. Es ist ein intensives Auseinandersetzen mit neuen Technologien notwendig. Die Vorteile des Einsatzes von KI-Modellen und -Tools in der Abschlussprüfung liegen auf der Hand: Die Prüfungen können effizienter gestaltet werden, sodass insbesondere für Mandant*innengespräche und Analysen der Geschäftsmodelle oder bilanzpolitische Fragestellungen sowie das Finden von Lösungsansätzen in betriebswirtschaftlichen Fragen mehr Raum verbleibt. Und genau das soll Wirtschaftsprüfung trotz und mit allem Einsatz von Digitalisierungsinstrumenten auch für die Zukunft leisten: den Mandanten kompetent begleiten. Diesbezüglich sehe ich die Entwicklung im Laufe der Zeit auch sehr positiv. Die Fähigkeiten, die wir benötigen, haben sich etwas geändert: IT-Affinität sollte gegeben sein, aber der gesunde Menschenverstand und unser Urteilsvermögen ermöglichen es uns erst, die gewonnenen Daten zu interpretieren.
Wesentlich erhöht hat sich aus meiner Sicht auch die Komplexität der Geschäftsmodelle bei unseren Mandant*innen. Insofern ist es entscheidend, verstärkt interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Es reicht nicht, Geschäftsvorfälle beispielsweise nur aus Sicht der Wirtschaftsprüfer*in zu betrachten, deren Ausbildung ja per se durch die unterschiedlichen Examensbausteine sehr breit und tief aufgestellt ist. Ich schätze die Diskussionen und Gespräche mit den Kolleg*innen der anderen Bereiche bei BBH, sei es die Rechts-, die M&A- oder die Steuerberatung oder das Know-how der Consulting.
Wie sieht denn die derzeitige Lage der Wirtschaftsprüfung aus und welche Hürden gilt es mit Blick auf z. B. Digitalisierung zu bewältigen?
Aktuell erreichen uns sehr viele Anfragen und neue Vorgaben zu den sogenannten Vorbehaltsaufgaben. Wir sind hier bei BBH sehr stark im Infrastruktur- und Energiebereich tätig, begleiten insofern alle Energiewende-Themen intensiv. Der Personalbedarf ist hoch, insbesondere im Bereich der erfahrenen und examinierten Kolleg*innen. Wie oben bereits gesagt, hilft uns die Digitalisierung, Abläufe zu straffen, effizienter zu gestalten und neue Auswertungsmöglichkeiten zu nutzen. Damit ist auch zukünftig, gerade im Kontext zum angespannten Personalmarkt, eine hohe Qualität der Abschlussprüfung möglich. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass die Mitarbeitenden in der Wirtschaftsprüfung nicht nur sicher im Umgang mit den relevanten gesetzlichen Vorgaben, sondern auch in Bezug auf den Einsatz und die Möglichkeiten von IT-Systemen sind. Ohne IT kann heutzutage kein Abschluss mehr erstellt werden.
Wie werden sich Berufsfeld und Tätigkeiten in der Wirtschaftsprüfung in der Zukunft ändern?
Ich denke, der Beruf Wirtschaftsprüfer*in wird auch zukünftig einen hohen Stellenwert innerhalb der Wirtschaft einnehmen. Wer sich einmal für den Weg und das Examen entschieden hat, hat einen der abwechslungsreichsten Berufe gewählt. Neben der Möglichkeit, immer wieder Neues zu lernen, sind ausgezeichnete Karrierechancen in der Wirtschaftsprüfung selbst, aber natürlich auch auf der „anderen Seite“, aufseiten unserer Mandant*innen zu erwarten. Aus meiner Sicht bleibt das Berufsfeld damit vielfältig, wir sind oftmals Generalisten, kennen uns in verschiedensten Bereichen aus und auch zukünftig wird die Arbeit einer Wirtschaftsprüfer*in davon geprägt sein, viel mit Menschen zu kommunizieren, viel zu erfahren, zuhören zu können und sich stetig weiter zu entwickeln – fachlich und menschlich.
Wie fördern Sie die Weiterentwicklung und das lebenslange Lernen in Ihrer Position als Wirtschaftsprüferin?
Mich selbst betreffend: Durch regelmäßige Fortbildungen und ich nehme mir ab und zu beispielsweise den Beck’schen Bilanzkommentar zur Hand, um eine Bilanzierungsfrage nachzuschlagen. Auch nach 23 Jahren im Beruf weiß man nicht immer auf alles sofort eine Antwort. Insbesondere Fortbildungen ermöglichen wir natürlich auch allen unserer Kolleg*innen, sowohl Inhouse-Seminare als auch externe Schulungen. Das Konzept hat sich bewährt, vor allem die mit unserer Tätigkeit im Energiebereich verbundenen Besonderheiten inhouse zu schulen und zu erklären. Zudem bieten wir den Mitarbeitenden im WP-, Steuer- oder CF-Bereich die Möglichkeit, Unterstützungsleistungen sowohl finanzieller Art als auch in Form von bezahlten Freistellungen für ihre Vorbereitungen auf das WP- oder Steuerberaterexamen oder andere fachspezifische Examina zu nutzen.
Welche Charakteristika – persönlich und fachlich – sollten werdende Wirtschaftsprüfer*innen für den Beruf besitzen?
Analysefähigkeiten, Durchsetzungsstärke und Offenheit dafür, für und mit dem Mandanten beste Lösungen zu erarbeiten.
Warum gibt es vergleichsweise wenige Frauen in der Wirtschaftsprüfung? Ist der Beruf für Frauen schwieriger zu bewältigen?
Fachlich gesehen sind Frauen mindestens genauso stark wie die männlichen Kollegen. Schwieriger ist es jedoch noch immer, eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinzubekommen. Es braucht als Frau schon ein etwas größeres Netzwerk und ggf. auch mehr Unterstützung, um das Familienleben neben dem Berufsleben zu organisieren. Der Beruf geht einher mit teilweise familienunfreundlichen Arbeitszeiten, wenn zum Beispiel ein dringendes Thema mit dem Mandanten gelöst werden muss und der reguläre Feierabend ggf. nicht eingehalten werden kann. Wobei das meines Erachtens auch in anderen Berufen vorkommt. Was als Wirtschaftsprüferin jedoch auch an der Tagesordnung ist, ist eine hohe Anforderung an Flexibilität durch die Reisen zum Mandanten. Wir waren früher sehr viel unterwegs, oftmals von Montag bis Freitag, wenn Jahresabschlussprüfungen durchzuführen sind. Durch die Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie haben wir, wie viele andere Berufszweige auch, gelernt, dass verschiedene Tätigkeiten nicht mehr die ganzwöchige Anwesenheit vor Ort beim Mandanten erfordern. Bei guter, digitalisierter Vorbereitung können viele Prüfungshandlungen im Büro oder Homeoffice stattfinden. Jedoch ist es aus meiner Sicht noch immer mehr als entscheidend für eine Prüfung, den Mandanten und seine Abläufe sehr gut zu kennen, und man lernt sich noch immer am besten durch eine persönliche Begegnung kennen. Zudem lassen sich insbesondere Prüfungen des internen Kontrollsystems bei den Mandanten nur schwer per Videokonferenz oder Telefon erledigen. Auch dazu ist es wichtig, sich in Präsenz einen direkten Eindruck zu verschaffen. Und da sind wir wieder bei dem Thema, das sicher vielen Frauen Schwierigkeiten bereitet, erst recht, wenn eine Familie gegründet wurde und Kinder zu betreuen sind: lange Arbeitszeiten und die Bereitschaft und Möglichkeit, für unsere Mandanten vor Ort zu sein. Ich habe das große Glück, durch meinen Mann und meine Eltern sehr große Unterstützung zu erfahren, sodass für mich nie die Frage im Raum stand, den Beruf nicht mehr so ausüben zu können, wie ich das für richtig halte. Aber ich denke, das ist keine Selbstverständlichkeit und bedarf eines hohen Verständnisgrades und viel Organisationsvermögen aller Beteiligten. Aus diesem Grund gibt es vermutlich vergleichsweise wenige Frauen in der Wirtschaftsprüfung bzw. noch weniger in den Führungspositionen.
Welche Ratschläge würden Sie jungen Fachleuten geben, die eine Karriere in der Wirtschaftsprüfung anstreben?
Sie sollten bestenfalls bereits im Rahmen des Studiums versuchen, praktische Erfahrungen zu sammeln oder eine Werkstudent*innentätigkeit aufzunehmen. Die Studieninhalte sind oftmals sehr theoretisch und was unseren Beruf ausmacht, nämlich vor allem die Teamarbeit, kann man so ganz gut erfahren. Wer dann als Associate anfängt, kann sehr schnell und flexibel fortgebildet werden. Die Entscheidung, den Weg des Examens, der ganz sicher kein leichter ist, auf sich zu nehmen, kann dann fundiert getroffen werden. Vergessen werden sollte auch nicht, dass es in der Wirtschaftsprüfung auch nicht „nur“ um Zahlen geht: Neue Themen, wie die Auswertung und Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte, werden zukünftig ganz neue Aspekte und damit auch den Bedarf vieler breit ausgebildeter Kolleg*innen hervorbringen. Hilfreich für die spätere Berufswahl ist zudem immer der Kontakt zu erfahrenen Kolleg*innen. Also gern melden und nachfragen – zu allen Themen rund um die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer*in.